Neue innBW-Projekte in Baden-Württemberg angelaufen
Im Südwesten sind Anfang Mai 2020 zwei Projekte von Instituten der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW) gestartet, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beitragen sollen. Die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) beginnen derzeit die Produktion von Vliesstoffen für 200.000 FFP2-Schutzmasken, die die Anforderungen für medizinisches Personal und Einsatzkräfte erfüllen. Das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen (NMI) entwickelt aktuell einen Antikörpertest speziell für das Covid-19-Virus. „Der Schutz vor dem Virus und Antikörpertests sind wichtige Strategien, den Covid-19-Errreger in Schach zu halten, bis es einen Impfstoff gibt“, sagt Prof. Dr. Alfons Dehé, Sprecher der innBW. „Auch weitere innBW-Institute arbeiten konkret daran, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen.“
Bei der Eindämmung der Covid-19-Pandemie steht Deutschland vor großen Herausforderungen. Ein Problem sind medizinische Schutzmasken auf FFP2- und FFP3-Niveau: Die Versorgung mit ihnen ist derzeit nicht gesichert. So manche Großbestellung aus dem Ausland, die den Mangel beheben soll, erweist sich als nicht funktionstüchtig. Andere Lieferketten sind unterbrochen. Und in Deutschland fehlt es an ausreichenden eigenen Produktionskapazitäten und Ressourcen.
Schutzmasken für medizinisches Personal herstellen
Der Nachschub an medizinischen Masken für Krankenhäuser und Pflegeheime ist daher weiterhin zu gering, die Nachfrage größer als das Angebot. In diese Lücke springen jetzt die DITF. Das Textilforschungszentrum in der Nähe Stuttgarts produziert in den nächsten Wochen auf seinen Forschungsanlagen Vliesstoffe für 200.000 FFP2-Schutzmasken für Pfleger und Ärzte. Die Forscher sind Experten auf dem Gebiet Fasern und Textilien und haben in nur zwei Wochen ihre Forschungsanlagen umgerüstet, damit das hergestellte Material das geforderte Niveau erreicht. Das Unternehmen Junker konfektioniert die Masken, die DEKRA prüft und zertifiziert sie.
Forschungsanlagen sind grundsätzlich nicht für die Fertigung großer Mengen ausgelegt. In der aktuellen Situation sei jedoch jeder Beitrag nützlich, um den aktuellen Engpass bei medizinischen Masken zu beheben, sagt Prof. Dr. Michael R. Buchmeiser, Vorstandsvorsitzender der DITF. Die Masken sollen an das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg geliefert werden. Das Ministerium koordiniert im Südwesten die Versorgung mit Schutzausrüstungen für Ärzte und Pfleger sowie Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei.
Antikörpertest für Covid-19 entwickeln
Um die Ausbreitung der Pandemie zu erfassen und eine verbesserte Steuerung der Präventionsmaßnahmen zu erreichen, sind neben Schnelltests zur Diagnose auch Antikörpertests nötig, mit denen eine vorangegangene Infektion nachgewiesen werden kann. Mit Hochdruck und unter Einsatz eigener Mittel forscht das NMI aus Reutlingen derzeit daran. Bislang verfügbare Antikörpertests sind nicht in der Lage, die Kreuzreaktivität auf endemisch verbreitete Coronaviren aufzuzeigen. Diese saisonal auftretenden Coronaviren kursieren schon seit langem in der Bevölkerung und rufen in der Regel harmlose Erkältungssymptome hervor. Sie verursachen bei den verfügbaren Antikörpertests falschpositive Ergebnisse, wodurch die Durchseuchung mit Covid-19 nicht genau eingeschätzt werden kann.
NMI-Forscher arbeiten zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung nun an der Entwicklung eines Antikörpertests, der eine zuverlässige Analyse bestehender Antikörper sowohl gegen Covid-19 als auch gegen saisonale Coronaviren erlaubt, berichtet NMI-Institutsleiterin Prof. Dr. Katja Schenke-Layland. Der Antikörpertest soll darüber hinaus nur geringste Antigenmengen benötigen – rund ein Fünfzigstel im Vergleich zu konventionellen Testverfahren – so können Produktionsengpässe bei den Tests vermieden werden.
In Kombination mit einem Vollblut-Testsystem für dezentrale klinische Studien der Firma HOT Screen wird das NMI zusammen mit dem Industriepartner den Antikörpertest auch dazu nutzen, den individuellen Immunstatus von Probanden, die mit Covid-19 erkrankt waren, und von Probanden, die trotz engem Kontakt zu Covid-Erkrankten sich nicht infizierten, zu untersuchen. Die Forscher wollen daraus Rückschlüsse auf die Hintergrundimmunität ziehen und verstehen, warum die Krankheitsverläufe sehr unterschiedlich sind und es manchmal gar nicht zu einer Covid-19-Erkrankung kommt. Mit diesem Wissen lassen sich neue Therapien entwickeln.
Neuen Schnelltest für Covid-19 auf den Markt bringen
Ein weiteres Projekt aus Freiburg beschäftigt sich ebenfalls mit Covid-19: Ob sich ein Mensch mit dem Coronavirus infiziert hat, finden Mediziner über Abstriche aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum heraus. Zurzeit müssen Patienten allerdings ein bis zwei Tage warten, bis ihr Test in einem Zentrallabor durchgeführt und ausgewertet ist. Der neue Schnelltest aus Freiburg entspricht dem PCR basierten Goldstandard des direkten Virennachweises aus dem Zentrallabor, er soll aber das Ergebnis bereits in 30 bis 40 Minuten liefern und zwar vor Ort direkt beim Patienten. Entwickelt wird das Testverfahren vom innBW-Institut Hahn-Schickard und seinem Spin-Off, dem Medizintechnik-Unternehmen Spindiag aus Freiburg.
Das Team aus Forschenden und Entwicklern nutzt dazu ein System, das sie zuvor für den Nachweis multiresistenter Bakterien erschaffen hatten. Im August 2020 soll das Corona-Testverfahren auf dem Markt verfügbar sein. Ziel ist es, den Engpass an Corona-Schnelltests in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen und Abstrichzentren zu minimieren. Das Land Baden-Württemberg hat in einer Sondersitzung sechs Millionen Euro für die Förderung des Projekts bewilligt.
Sicherheit von Schutzmasken prüfen
Bei Hohenstein konzentriert man sich dagegen auf die Prüfung und Weiterentwicklung medizinischer Gesichtsmasken. Ihre Funktion und Sicherheit wird von den Hohensteiner Wissenschaftler nach DIN EN 14683 geprüft. Das ist ein Spezialgebiet des Instituts, das hierfür auf seine langjährige Expertise an der Schnittstelle von Textil und Mikrobiologie zugreifen kann.
Hohenstein ist eines von nur vier Instituten europaweit, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für diese Prüfungen gelistet wird. Bisher haben die Institute bereits für über 50 Hersteller Masken getestet. Mit dem Prüfbericht von Hohenstein können Hersteller die Sonderzulassung nach dem Medizinproduktegesetz beim BfArM beantragen.