Sie ist eine der größten Zivilisationskrankheiten weltweit: Diabetes Typ 2 mellitus. Die chronische Stoffwechselerkrankung entsteht, wenn Körperzellen durch Überernährung, Bewegungsmangel oder erbliche Vorbelastung nicht mehr auf das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ansprechen. Reagiert der Körper resistent auf Insulin, gelangt auch Zucker nicht mehr in die Zellen, der Blutzuckerspiegel steigt. Es drohen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen und Seh- und Nervenschäden. An einem neuartigen Behandlungskonzept für Typ-2-Diabetes mellitus forschen zurzeit die beiden innBW-Institute IMS CHIPS und das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Universität Tübingen. Dabei setzen die Forscher auf winzige Implantate in der Bauchspeicheldrüse: Sie messen die Aktivität der Beta-Zellen, den Glukosespiegel und den Insulinbedarf des Körpers. Durch elektrische Stimulation der Bauchspeicheldrüse soll dann die Aktivität der Beta-Zellen im Organ verstärkt und dadurch die Insulinproduktion erhöht werden.
Der medizinische Bedarf an effizienten Behandlungsmethoden ist hoch: In Deutschland leiden derzeit rund acht Prozent der Bevölkerung an Typ-2-Diabetes mellitus. Weltweit sind es rund 390 Millionen Menschen. Experten gehen in den nächsten 20 Jahren von einem Anstieg um rund 50 Prozent auf 600 Millionen Menschen aus.
Beim Einsatz der intelligenten Implantate stehen die Forscher aus dem Südwesten vor einer Herausforderung: Die von den Beta-Zellen produzierten elektrischen Signale sind so klein, dass eine entsprechend empfindliche Elektronik eingesetzt werden muss. Um die Elektronik in ein Implantat integrieren zu können, ist eine extreme Miniaturisierung sowie ein sehr niedriger Energieverbrauch notwendig. Hierzu hat IMS CHIPS eine elektronische Schaltung (ASIC) entwickelt, die bis zu 16 Signale parallel verstärken, erfassen und auswerten kann. Der Chip ist lediglich rund vier mal vier Millimeter groß. Nach der Charakterisierung im Labor ist ein erstes Schlüsselexperiment im NMI erfolgreich verlaufen. Um die Implantate in Zukunft in der Humantherapie anwenden zu können, arbeiten IMS CHIPS und das NMI zur weiteren Erforschung mit drei Unternehmen und der Uniklinik Tübingen zusammen.
Über IMS CHIPS
Das Institut für Mikroelektronik Stuttgart (IMS CHIPS) betreibt Forschung und Kleinserienproduktion auf den Gebieten Silizium-Technologie, Anwenderspezifische Schaltkreise (ASIC), Nanostrukturierung und Bildsensorik. Das Institut, eine als gemeinnützig anerkannte Stiftung nach bürgerlichem Recht, sieht sich als Partner kleiner und mittlerer Unternehmen und arbeitet mit international führenden Halbleiterunternehmen und Zulieferern zusammen.
Über das NMI
Das NMI betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern erschließt neue Technologien für Unternehmen und öffentliche Forschungsförderer in den Geschäftsfeldern Pharma und Biotech, Biomedizin und Materialwissenschaften sowie Analytik und Elektronenmikroskopie. Das Institut mit Sitz in Reutlingen versteht sich als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft: Es arbeitet eng mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen zusammen und bedient seit vielen Jahren ein großes Spektrum an mittelständischen und großen Unternehmen. Am NMI arbeiten rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gegründet wurde es 1985.