Innovationen für ein sicheres, wirtschaftlich rentables Energiesystemdesign zu entwickeln, war das Ziel des unter Federführung des FZI Forschungszentrum Informatik laufenden Projektes SynergieQuartier. Gemeinsam mit den Partnern Stadtwerke Walldorf, beegy, dem Energieversorgungsunternehmen MVV und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte das FZI ein Systemkonzept, das in Simulationen und in einem Feldtest in einem Wohngebiet in Walldorf erforscht, demonstriert und evaluiert wurde. Es erlaubt durch den intelligenten IKT-Einsatz zukünftig einen zielgenauen Ausbau der Netze trotz zusätzlicher Lasten.
Im Vordergrund des Projektes SynergieQuartier, das von Mitte 2020 bis zum Jahresende 2023 lief und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 2 Millionen Euro gefördert wurde, stand die Entwicklung eines Systemkonzeptes, das alle wesentlichen Akteure und Technologien auf dem Weg zur Energiewende miteinbezieht.
Dezentrale Verbraucher und Erzeuger wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen, verschiedene Energiespeicher und Photovoltaikanlagen können die Netze stark belasten. Unklar war bisher hingegen, wie stark die jeweiligen Verteilnetze ausgebaut werden müssen und inwiefern stattdessen die Flexibilität der Haushalte helfen kann, Netzausbaukosten zu sparen und somit einen Beitrag zu einem stabilen und kosteneffizienten Energiesystem zu leisten. Dies wurde im SynergieQuartier als Folgeprojekt von Living Lab Walldorf sowohl allgemein als auch ganz konkret anhand von Haushalten im Stromnetz von Walldorf untersucht.
Basierend auf der Smart-Meter-Gateway-Architektur wurden auf lokaler Ebene Möglichkeiten entwickelt, zeit- und lastvariable Netzentgelte so zu gestalten, dass nicht nur die überregionale Strommarktsituation, sondern auch gleichzeitig die lokale Netzsituation berücksichtigt werden konnte – selbst wenn die Situationen überregional und lokal unterschiedlich waren.
Feldtest im Walldorfer Wohnquartier
Herzstück des Projektes war ein zwischen Januar 2022 und Oktober 2023 laufender praktischer Feldtest, bei dem in Walldorf insgesamt 28 Prosumerhaushalte – also Haushalte, die Energie nicht nur konsumieren, sondern auch erzeugen – mit entsprechender Mess- und Steuerungstechnik in Form eines lokalen Energiemanagementsystems (HEMS) von beegy sowie einem intelligenten Messsystem ausgestattet wurden. Aus den erfassten Messdaten wurde zunächst das Ladeverhalten privater Haushalte modelliert und darauf basierend die Auswirkungen von Prosumer-Haushalten auf Verteilnetze und die Netzbetreibereingriffe simuliert.
Bewohner*innen des Quartiers in Walldorf wurden mit Veranstaltungen und Diskussionsrunden aktiv in die Gestaltung des Feldtestes einbezogen und insbesondere zu ihrem Energieverhalten und ihren Anforderungen an Energiemanagementsysteme zur Flexibilisierung und Netzoptimierung befragt.
Prosumer-Demonstrator hilft Reaktionen des Energiemanagementsystems zu verstehen
Im FZI Living Lab smartEnergy entstand im Rahmen des Projektes ein Demonstrator, der Reaktionen im Energiemanagementsystem verstehen hilft. Dieser Demonstrator „Prosumer-Haushalt“ wurde auch im Rahmen der Messepräsentation des Mittelstand-Digital Zentrum Klima.Neutral.Digital den Besucher*innen des Digitalgipfels der Bundesregierung 2023 in Jena gezeigt.
Der Demonstrator spiegelt alle Komponenten eines Prosumer-Haushalts (ein Photovoltaik-Wechselrichter, eine Ladestation, eine Batterie und ein intelligentes Messsystem mit einem Smart Meter) auf einer Wandfläche. Hinzugeschaltete Monitore erlauben es, die Integration des Haushaltes in das Energiesystem nachzuverfolgen.
Drei Netzwerkbereiche des Smart-Meter-Gateways wurden durch den Demonstrator abgebildet: Im Heimnetz befinden sich ein Solar-Wechselrichter mit Batterie und eine Ladestation, die mit einem lokalen Energiemanagementsystem (HEMS) kommunizieren. Über das Energiemanagementsystem sind auf einem Monitor die Energieflüsse im Gebäude übersichtlich nachzuverfolgen. Smart Meter sind über ihr lokales Zähler-Netzwerk mit dem zentralen Smart-Meter-Gateway verbunden. Darüber hinaus erhält das Smart-Meter-Gateway via Internet Informationen über das Energiesystem, insbesondere dynamische Strompreise und Hinweise auf Leistungsgrenzen, die sich durch Engpässe im lokalen Netz ergeben.
Neben einem Live-Szenario können durch den Demonstrator auch unterschiedliche Jahreszeiten und Szenarien im Energiesystem ausgewählt und „durchgespielt“ werden, um die Reaktionen des Energiemanagementsystems und die daraus resultierende Änderung der Energieflüsse zu beobachten.
Sicheres und resilientes Energiesystem
Das FZI befasste sich im Projekt nicht nur mit Kommunikations- und Optimierungsprozesse der installierten Anlagen. Auch Hemmnisse und Potenziale der in Deutschland bis 2035 flächendeckend auszubauenden Smart-Meter-Infrastruktur wurden aufgezeigt. Hier wurden besonders IT-Sicherheitsaspekte hinsichtlich Smart Meter in der Labor- und Feldumgebung des Projektes beleuchtet und Ansätze erarbeitet, wie die kritische Stromversorgungsinfrastruktur resilienter auf potenzielle Cyberangriffe reagieren kann.
FZI-Input für die Weiterentwicklung des Energiewirtschaftsgesetzes
Durch Ergebnisse des SynergieQuartier-Projektes konnten die FZI-Forscher*innen auch wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens rund um unser Energiesystem an die Bundesnetzagentur und das Forum Netztechnik/Netzbetrieb des Verbandes der Elektrotechnik (VDE) weitergeben, insbesondere im Zusammenhang mit der Neufassung des § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Durch diese Aktualisierung haben die
Netzbetreiber seit dem 1. Januar 2024 das Recht, Ladestationen, Wärmepumpen und Batterien im Falle von Netzengpässen zu steuern. Im Gegenzug bekommen die Betreiber*innen von neuen Anlagen reduzierte Netzentgelte.
Ziel des SynergieQuartiers erreicht
Der intelligente Einsatz von IKT in Form von HEMS und intelligenten Messsystemen erlaubt es, die Netze angesichts zusätzlicher Lasten durch Elektromobilität und Sektorkopplung zielgenauer und kosteneffizienter auszubauen und zu betreiben. Energiedienstleister können Endkunden Produktinnovationen und Kostenreduktionen anbieten, der Gesetzgeber erhält valide Handlungsempfehlungen und die breite Bevölkerung erlebt eine wirkungsvolle Teilhabe an der Energiewende.
Über das FZI
Das FZI Forschungszentrum Informatik mit Hauptsitz in Karlsruhe und Außenstelle in Berlin ist eine gemeinnützige Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer. Sie bringt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Informationstechnologie in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen und qualifiziert für eine akademische und wirtschaftliche Karriere oder den Sprung in die Selbstständigkeit. Betreut von Professorinnen und Professoren verschiedener Fakultäten entwickeln die Forschungsgruppen am FZI interdisziplinär für ihre Auftraggeber Konzepte, Software-, Hardware- und Systemlösungen und setzen die gefundenen Lösungen prototypisch um. Mit dem FZI House of Living Labs steht eine einzigartige Forschungsumgebung für die Anwendungsforschung bereit. Das FZI ist Innovationspartner des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und strategischer Partner der Gesellschaft für Informatik (GI).